Gerechte (Bildungs-)Teilhabe für ALLE macht den Abbau von Barrieren notwendig und dazu zählen nicht nur bauliche Maßnahmen wie etwa Rollrampen. Ganz aktuell dieser Tage ist zum Beispiel das Thema Barrierefreiheit von Websites und digitalen Inhalten, so Linn Loher, Beauftragte für Chancengerechtigkeit in der ELKB.
EEB Bayern: Liebe Frau Loher, Sie sind Beauftragte des Referats Chancengerechtigkeit in der ELKB, wobei es u.a. auch darum geht, Barrieren für gerechte Teilhabe und Selbstbestimmung zu erkennen und abzubauen. Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte in diesem Bereich? Inwiefern arbeiten Sie dabei auch mit kirchlichen Bildungseinrichtungen zusammen bzw. können diese unterstützen?
Linn Loher: Grundsätzlich hat meine Arbeit das Ziel, auf eine gerechte Teilhabe aller Menschen und in allen Bereichen des kirchlichen Lebens hinzuwirken. Um das zu erreichen, spielt auch das Erkennen und der Abbau von Barrieren eine große Rolle. Im Referat für Chancengerechtigkeit befassen wir uns nicht mit baulichen Barrieren, sondern viel mehr mit der Sensibilisierung von Personen, die wenig Kontakt mit Menschen mit Behinderung haben. Es geht viel um Aufklärung und Beratung, dass Inklusion vor Ort gut gelingen kann. Dazu gehört auch über die digitale Barrierefreiheit zu informieren, zu schulen und unsere kirchlichen (Bildungs-)Einrichtungen zu beraten.
EEB Bayern: Stichwort digitale Teilhabe – am 28. Juni dieses Jahres ist ein neues Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft getreten, um die Barrierefreiheit von Webseiten und digitalen Inhalten zu verbessern und sicherzustellen, dass alle Menschen gleichberechtigten Zugang haben. Was ändert sich durch das neue Gesetz? Was müssen Bildungsanbieter jetzt konkret bei der Gestaltung Ihrer Websites beachten?
Loher: Ziel des neuen Gesetzes ist es, dass alle Menschen ohne fremde Hilfe am Wirtschaftsleben teilnehmen können.
Das BFSG gilt für nahezu alle Arten von Webseiten und mobilen Anwendungen, die für den deutschen Markt entwickelt oder bereitgestellt werden, wenn ein „Dienst“ angeboten wird. Was für öffentliche Einrichtungen schon länger gilt, wird mit dem BFSG nun auch auf privatwirtschaftliche Unternehmen ausgeweitet. Dies schließt auch Bildungsanbieter ein, die digitale Dienstleistung zur Verfügung stellen. Konkret bedeutet das, wenn Sie auf Ihrer Webseite Anmeldungen zu Veranstaltungen anbieten, Menschen Materialien bestellen können oder Sie eine E-Learning Plattform betreiben, dann müssen diese Angebote den Anforderungen der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) entsprechen.
Aus meiner Sicht haben Sie schon sehr viel erreicht, wenn Sie drei zentrale Punkte beachten:
- konsequent Formatvorlagen verwenden und Überschriftenreihenfolgen einhalten
- alternative Bildbeschreibungen hinterlegen
- auf hohe Kontraste achten.
EEB Bayern: Um zu überprüfen, ob die eigene Website die Anforderungen des neuen Gesetzes erfüllt, gibt es inzwischen verschiedene Tools. Können Sie uns diesbezüglich eine Empfehlung geben?
Loher: Also zunächst möchte ich betonen, dass Barrierefreiheit keine höhere Mathematik ist. Die für Webseiten verwendete Programmiersprache html ist technisch barrierefrei! Denn die unterstützenden Tools wie Screenreader machen ja nichts anderes als die Seite automatisiert auszulesen. Erst wenn z.B. Vorlagen zweckentfremdet, verändert oder unsauber verwendet werden, entstehen technische Barrieren. Für eine barrierefreie Bild- und Textgestaltung der Webseite reichen einige sehr konkrete Aspekte, die bei der redaktionellen Arbeit eine Rolle spielen. Wenn man diese in der redaktionellen Arbeit beachtet, kann man dauerhaft eine barrierefreie Webseite betreiben – ganz ohne Zusatzkosten oder speziellen AddOns.
Sie können Ihre Webseite mit kostenlosen Testtools prüfen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik verlinkt hierfür auf eine Seite mit geeigneten Test-Tools. Ich persönlich verwende WAVE, eine Browser Extension für Chrome, Firefox und Edge. Wenn Sie Angebote von Vernetzte Kirche nutzen, stehen Ihnen die Ansprechpartner auch in Sachen Barrierefreiheit zur Seite.
Ich habe bei der Entwicklung einer Onlineschulung des Evangelischen Medienhauses Stuttgart mitgewirkt. Hier können Sie die wichtigsten Elemente erlernen: Digitale Barrierefreiheit | Digitales Lernen Kirche. Außerdem finden Sie auf unserer ELKB-Intranetseite weitere Informationen und Tipps. Aktuell bieten wir auch ein Format in Teams im Netzwerk Digital der Landeskirche an, in dem wir regelmäßig im Teamskanal ins Gespräch zu den einzelnen Aspekten gehen und uns so gemeinsam auf den Weg zu barrierefreien Webseiten machen.
EEB Bayern: Werfen wir noch einen kurzen Blick in die Zukunft – welches größere Projekt bzw. Thema steht als Nächstes bei Ihnen auf der Agenda?
Loher: Noch den ganzen Sommer über ist natürlich die digitale Barrierefreiheit unser zentrales Thema. Das Referat für Chancengerechtigkeit beschäftigt sich darüber hinaus nicht nur mit Inklusionsfragen, sondern auch mit den Herausforderungen zu Gleichstellung der Geschlechter, Frauen in Führung, Herausforderungen der Generationengerechtigkeit und Herkunft von Menschen. Im Bereich Inklusion von Menschen mit Behinderung werden wir als nächstes einen Blick auf uns als Arbeitgeberin Kirche werfen und reflektieren, wie wir mehr Menschen mit Behinderung hauptberuflich beschäftigen können. Dabei konzentrieren wir uns auf die Sensibilisierung und den Abbau von unbewussten Vorurteilen von Personalverantwortlichen.
Interview: Sabine Löcker (EEB Bayern)
Zur weiteren Info
Link zum neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz hier
Themenseite der EKD mit vielen hilfreichen Infos und Tipps für Webseitenbetreiber hier.